1. "Adopte ma tomate" ist eine Partnerbörse der besonderen Art. Worum handelt es sich?

 

Octavia Ivan hat mit « Adopte ma tomate » eine ungewöhnliche Internetplattform zum Kennenlernen ins Leben gerufen: Menschen, die gerne im Garten arbeiten, aber keinen Garten besitzen, bringt sie mit Gartenbesitzern zusammen, die ihren Garten nicht selber bewirtschaften können.

 

Die App, ab Mai erhältlich, bietet sogar die Möglichkeit, sich als Team um einen Garten zu kümmern.

 

2. Worauf legt Octavia beim Gärtnern besonderen Wert?

 

Besonders wichtig ist es für Octavia, die Bedürfnisse des Bodens und den Rhythmus der Natur zu respektieren, deshalb orientiert sie sich an den Prinzipien der Permakultur.

 

Um die Menschen wieder mehr in Kontakt mit der Erde zu bringen und ihnen die Grundzüge des Gärtnerns beizubringen, bietet sie Ateliers an -  für Kinder und Erwachsene.

 

In Zukunft wird Octavia mit einem Café – Feinkostgeschäft zusammenarbeiten. Außerdem sucht sie Gärten zur Durchführung der Ateliers. Langfristig ist geplant, zwischen den Gärtner-Teams in einem Viertel auch Wettbewerbe zu veranstalten -  so bietet sich den Bewohnern eine Möglichkeit, sich kennenzulernen, zu treffen und auszutauschen.

 

3. Was hat sie nach Toulouse gebracht?

 

Octavia stammt ursprünglich aus Rumänien. Sie hat ihre Kindheit in Bukarest verbracht und beschloss eines Tages, als ehrenamtliche Führerin Touristen die Schönheit ihrer Heimatstadt zu zeigen.

 

Über Couchsurfing hat sie dann Übernachtungsgäste bei sich zu Hause aufgenommen und darüber ihren jetzigen Mann, einen Franzosen, kennengelernt. Ein Jahr später zog sie nach Toulouse und nach weiteren drei Monaten waren die beiden verheiratet.

 

4. Wie war der Anfang in Frankreich? Wie ging es ihr nach ihrer Ankunft in Toulouse?

 

Anfangs fiel es Octavia schwer, ihre Wohnung, ihre Freunde und die Familie in Bukarest zurückzulassen, und nach Toulouse zu gehen, wo ihr einziger Kontakt ihr Mann war.

 

Oft fühlte sich oft einsam, denn sie liebt es, sich zu unterhalten und mit anderen auszutauschen: leider halfen ihre Englischkenntnisse in Toulouse nicht weiter und Französisch musste sie erst noch lernen.

 

Deshalb ihr Ratschlag an alle, die nach Frankreich kommen wollen: unbedingt vorher zumindest etwas Französisch zu lernen.

 

Octavia hätte niemals damit gerechnet, dass es so schwierig sein könnte, in Frankreich als Ausländerin eine Arbeit zu finden.

 

Trotz ausgezeichnetem Lebenslauf, guter Englischkenntnisse und Grundkenntnissen in Deutsch, konnte sie ein ganzes Jahr lang keine Arbeitsstelle zu finden.  Zum Glück hatte sie in dieser Zeit ihren Mann an ihrer Seite, denn ihr Selbstbewusstsein litt unter dieser Situation.

 

Schließlich fand sie zwei Familien, die sie trotz ihres Akzents und ihrer Herkunft als Tagesmutter beschäftigten. Die Eltern empfanden die kulturellen Unterschiede eher als Gewinn für ihre Kinder und so konnten beide Seiten profitieren: die französischen Familien von den ganz anderen Erfahrungen Octavias. Und Octavia bot sich die gute Gelegenheit, im Umgang mit den Kindern die französische Sprache zu lernen.

 

Später arbeitete sie als Repräsentantin einer rumänischen Firma, was Octavia dazu zwang, Franzosen zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten.

 

Den letzten Schliff bekamen ihre Französischkenntnisse dann durch ein duales Masterstudium, wo sie in der Kommunikation gearbeitet hat. Für eine Ausländerin wirklich eine Herausforderung! Die Octavia aber gemeistert hat und die dazu geführt hat, dass sie sich heute als neue Person sieht.

 

4. Wie ist sie auf die Idee gekommen, "Adopte ma tomate" zu gründen?

 

Die Idee zu „Adopte ma tomate“ ging Octavia schon seit einigen Jahren im Kopf herum.

 

In ihrer Heimat hatte ihre Familie immer einen Garten. Obst und Gemüse wurden selber angebaut und nicht im Supermarkt gekauft. Damals wusste sie das gar nicht zu schätzen, erst nach ihrer Ankunft in Frankreich wurde ihr bewusst, dass Obst und Gemüse aus dem Supermarkt geschmacklich und qualitativ nicht mit Selbstangebautem mithalten können.

 

Und so suchte sie nach Möglichkeiten, wieder in den Genuss von selbstgezüchteten Tomaten zu kommen. Während ihrer Spaziergänge in Toulouse stellte sie oft fest, dass es in der Stadt sehr viel brachliegendes Land gab und Gärten, um die sich niemand kümmerte.

 

Im vergangenen September nahm Octavia an einem Wochenende für Start-up-Gründerinnen teil. Thema war der Kampf gegen die Erderwärmung und zwar u. a. im Bereich Landwirtschaft und Ernährung. Ihr Vorschlag war, Städte durch gemeinschaftlich genutzte Gemüsegärten wieder zu begrünen.

 

Aus diesem Wochenende ergab sich dann ein Business-Plan, der den 2. Platz gewann. Danach ging es an die praktische Umsetzung des Projekts.

 

5. Wie schätzt sie den Erfolg ihres Start-Ups ein?

 

Nach den ersten Monaten zeigt sich jetzt schon ein beachtlicher Erfolg für Octavia: auf ihrer Internetseite sind 230 Personen eingeschrieben, der Facebookseite folgen 400 Interessierte. Sie hat bereits Kontakte zwischen Gärtnern und Gartenbesitzern hergestellt und bekommt begeisterte Rückmeldungen von Gartenfreunden, die endlich wieder mit den Händen in der Erde wühlen dürfen.

 

Eigentlich war „Adopte ma tomate“ als Projekt für die Stadt Toulouse gedacht. Inzwischen gibt es Teilnehmer auch in der weiteren Umgebung, sogar in Marseille und Orléans.

 

Warum nicht auch eines Tages in Deutschland?